Männer in Stades Akrobatik: Mit Kraft und Vertrauen zum großen Erfolg
24.04.25 – Männer sind in der Akrobatik in der Minderheit. Doch seit Kurzem mischen Jerry Passgang und Damian Petereit beim VfL Stade mit und sorgten mit der Gruppe für eine Überraschung.
Jerry Passgang brachte seine Tochter Emma zunächst nur zum Training und schaute ihr bei Wettkämpfen zu. „In den Sommerferien haben wir dann Hebefiguren geübt“, sagt er, „und irgendwann hat es mich gepackt.“
An einem Mittwochabend steht Passgang in der Sporthalle der Grundschule am Burggraben. Auf seinen Schultern steht ein Mädchen, das wiederum ein anderes Mädchen mit ausgestreckten Armen in die Höhe hebt, mehr als drei Meter über dem Hallenboden. Zur Sicherheit liegt eine weiche Matte bereit, doch die Figur gelingt.
„Wenn man unten steht, merkt man erst richtig, was die Mädels da oben leisten“, sagt Passgang. Eine Mischung aus Kraft, Balance und Spannung sei nötig und noch etwas: Vertrauen.
„Es hat ein bisschen Überwindung gekostet“
Jerry Passgang (35) ist im vergangenen Jahr seiner elfjährigen Tochter zur Akrobatik gefolgt. Beim VfL Stade ist er einer von zwei männlichen Sportlern. „Ich finde es klasse, mit meiner Tochter ein Hobby zu teilen“, sagt er.
Der andere ist Damian Petereit (17), der erst vor wenigen Wochen von Trainerassistentin Anneke Meyer zum Training geschleppt wurde und vorher noch nie mit Akrobatik zu tun hatte. „Es hat ein bisschen Überwindung gekostet, aber es macht Spaß“, sagt er. Bisher hat er Fußball gespielt.
VfL-Trainerin war polnische Junioren-Vizemeisterin
Die Akrobatik ist eine Mädchendomäne. Im Jahr 2022 zählte der Deutsche Sportakrobatik-Bund 11.600 Mitglieder, der Großteil davon weiblich und unter 18 Jahre alt. Das zeigt sich auch in der Sporthalle am Burggraben: Die meisten Mädchen sind 12 oder 13 Jahre alt.
Trainerin Johanna Zuber sitzt auf einer Bank und gibt Anweisungen. Zuber war einst polnische Junioren-Vizemeisterin und brachte die Akrobatik vor 25 Jahren zum VfL Stade.
Turbulente Jahre liegen hinter der Abteilung. Erst der „Rieseneinbruch“ (Zuber) durch Corona, dann der Neuaufbau. „Wir mussten wieder von vorne anfangen, haben uns aber gut entwickelt“, sagt die Trainerin.
Größter Erfolg für die Stader Akrobaten
Die Gruppe ist buchbar und tritt unter dem Namen Young Diamonds unter anderem bei Altstadtfesten, Volksläufen oder in der Halbzeitpause von Sportveranstaltungen auf. „Mit den Spenden für unsere Auftritte finanzieren wir zum Beispiel unsere Kostüme“, sagt Zuber.
Seit einigen Jahren nimmt der VfL Stade auch an Wettkämpfen teil. Beim Landesfinale in Sehnde, dem „Rendezvous der Besten“, übertrafen die Young Diamonds in diesem Jahr alle Erwartungen. „Erst haben wir nur gesagt: Hauptsache wir sind dabei“, sagt Zuber.
Doch dann gehörten sie mit ihrer Choreografie zu den zwei besten Gruppen ihrer Altersklasse in Niedersachsen und qualifizierten sich für das Bundesfinale im kommenden Jahr. „Wow, das hat mich vom Hocker gehauen“, sagt Zuber.
Nervosität vor dem Landesfinale
Jerry Passgang und Damian Petereit waren auch beim Landesfinale dabei. Vor allem Petereit hatte mit Nervosität zu kämpfen. „Bei der Probe wusste ich nicht, wo ich stehen sollte“, sagt er. Passgang half ihm, die Aufregung verflog.
Mit ihrer Kraft sind sie vor allem für das Fangen und Halten prädestiniert. „Das machen sie gut“, lobt Anneke Meyer. „Wir brauchen mehr von ihnen.“ Denn mit den Älteren und Größeren steigt die Qualität und die Figuren werden noch stabiler und vielseitiger. „Je höher man die Kleinen werfen kann, desto größer ist die Chance auf einen doppelten Salto“, erklärt Zuber.
„Schneller, dynamischer, höher“
Aber auch so entwickelt sich die Gruppe weiter. „Es wird hier immer schneller, dynamischer, höher“, sagt die Trainerin und erklärt das mit dem „irren“ Zusammenhalt, dem großen Ehrgeiz und den jüngsten Erfolgen. „Das motiviert ungemein.“
Auch Jerry Passgang schwärmt vom Elan in der Gruppe. Er selbst ist „Feuer und Flamme“ und will dabei bleiben. Seiner Tochter hat er schon versprochen, dass er jetzt den Flickflack lernen will.
Die Akrobatik
Ob im Zirkus, auf der Bühne oder im Leistungssport: Akrobatik verbindet Kraft, Balance, Beweglichkeit, Koordination und Körperspannung zu oft spektakulären Figuren und Bewegungsabläufen. Anders als beim Geräteturnen wird in der Sportakrobatik ausschließlich der Körper eingesetzt, um Höhe, Hebefiguren und Flugphasen zu erreichen. Ihre Wurzeln reichen bis ins alte Ägypten zurück - damit zählt sie zu den ältesten Sportarten der Welt.
Quelle: Tageblatt
Foto: Scholz